Veränderlicher AE UMa


Einleitung

Im Februar 2019 beobachtete ich erstmalig einen veränderlichen Stern, nämlich AE Ursae Majoris. Das ist ein Delta-Scuti-Stern, genauer ein HADS (high amplitude Delta Scuti). Über mehr als vier Stunden hinweg nahm ich den Stern auf. Der Grund dafür waren starke Windböen, da ich das 14" ACF-Teleskop mit aufgesetzter Taukappe unter diesen Bedingungen nicht zur Beobachtung anderer Objekte nutzen konnte. Deshalb brachte ich das kleine Omegon-Photoscope zusätzlich an der Montierung an und steckte die Moravian-Kamera mit Flattener in dessen Okularauszug. Nach dem Fokussieren und Ausrichten des Teleskops auf den Stern konnte ich die Sternwarte verlassen und vom warmen Arbeitszimmer aus remote überwachen und steuern.


Multiperiodizität

Bei Delta-Scuti-Sternen handelt es sich um kurzperiodische Pulsationsveränderliche, die nach dem Prototypen und Namensgeber Delta Scuti, einem Riesenstern im Sternbild Schild, benannt sind. Deren Pulsation wird durch den Kappa-Mechanismus angetrieben. AE UMa zeigt multiperiodische Helligkeitsänderungen, die auf Überlagerung mehrerer Frequenzen hindeuten. Konkret sind zwei Haupt-Frequenzen bekannt: 11,62560 d-1 und 15,03124 d-1 (mit ca. 20% der Amplitude der Ersten) sowie Oberschwingungen (Vielfache und Kombinationen dieser Frequenzen mit Amplituden kleiner 34%), siehe [1]. Das bedeutet, dass die resultierende Lichtkurve Schwankungen sowohl in der Amplidude als auch in der zeitlichen Lage der Helligkeitsmaxima gegenüber der Grundschwingung zeigt. Diese Überlagerung habe ich anhand von Sinuskurven simuliert.

Diagramm Überlagerung zweier Frequenzen
Überlagerung zweier Frequenzen anhand von Sinuskurven; Hauptschwingung (blau), Nebenschwingung (grün) und Überlagerung (rot); die Frequenzen entsprechen denen von AE UMa

Genau das kann ich durch eigene Beobachtungen bestätigen, siehe nächstes Kapitel Beobachtungen und Lichtkurven.

[1] Niu et al, MNRAS 2017, https://arxiv.org/pdf/1304.3772.pdf


Beobachtungen und Lichtkurven

Sieben Beobachtungssessions (A - G) wurden durchgeführt. Die gemeinsamen Daten zu allen Sessions sind:

Aus den Aufnahmen aller Sessions habe ich Lichtkurven gewonnen. Zur Auswertung benutze ich die automatisiert verwendbare Funktion "Aperture Photometry" in IRIS. Als Ergebnis kommt ein Text-File heraus, in dem in der ersten Spalte das Julianische Datum mit Bruchteil steht und in weiteren Spalten die Helligkeiten der gemessenen Sterne in relativer Intensität. Zum Plotten der Lichtkurven verwende ich die freie Software Gnuplot. Um Störeinflüsse herauszurechnen, ist es wichtig, die Differenz zwischen Veränderlichem und Vergleichsstern zu bilden. Dabei muss sicher sein, dass der Vergleichsstern nicht auch veränderlich ist. Dies kann mit weiteren Vergleichssternen (Check-Sternen) überprüft werden.


AE UMa und Vergleichsstern
23.02.2019 20:44 - 21:44 Uhr MEZ, Omegon Photoscope 72/432 mm auf Taurus GM-60, Moravian G2-8300FW, 2x2 Binning, G-Filter, 100x30s belichtet



Session A am 23.02.2019

Lichtkurve von AE UMa und Vergleichsstern
23.02.2019 20:44 - 00:53 Uhr MEZ, Omegon Photoscope 72/432 mm auf Taurus GM-60, Moravian G2-8300FW, 2x2 Binning, G-Filter, 412x30 s (= 4 h 9 min) belichtet; Blaue Messpunkte: Helligkeit des Vergleichssterns UCAC4 671-054267, Rote Messpunkte: Differenz der Helligkeiten aus AE UMa und Vergleichsstern; die Lichtkurve umfasst ca. 2 Perioden der Grundschwingung. Die Aufnahme der Messwerte erfolgte bei guten Bedingungen, am Schluss bildete sich Nebel.

Session B am 24.02.2019

Lichtkurve von AE UMa und Vergleichsstern
24.02.2019 19:52 - 23:21 Uhr MEZ, Omegon Photoscope 72/432 mm auf Taurus GM-60, Moravian G2-8300FW, 2x2 Binning, G-Filter, 190x60 s (= 3 h 29 min) belichtet; Blaue Messpunkte: Helligkeit des Vergleichssterns UCAC4 671-054267, Rote Messpunkte: Differenz der Helligkeiten aus AE UMa und Vergleichsstern; die Lichtkurve umfasst ca. 1,7 Perioden der Grundschwingung. Bei deutlich besseren Bedingungen als am Vortag (kein Mond, keine Schleierwolken) und doppelter Belichtungszeit pro Bild (60 s) bringt die zweite Aufnahmeserie eine viel glattere Lichtkurve hervor. Die Aufnahme der Messwerte erfolgte bei exzellenten Bedingungen.

Session C am 26.02.2019

Lichtkurve von AE UMa und Vergleichsstern
26.02.2019 20:06 - 22:21 Uhr MEZ, Omegon Photoscope 72/432 mm auf Taurus GM-60, Moravian G2-8300FW, 2x2 Binning, G-Filter, 122x60 s (= 2 h 15 min) belichtet; Blaue Messpunkte: Helligkeit des Vergleichssterns UCAC4 671-054267, Rote Messpunkte: Differenz der Helligkeiten aus AE UMa und Vergleichsstern; die Lichtkurve umfasst ca. 1,1 Perioden der Grundschwingung. Die Aufnahme der Messwerte erfolgte bei guten Bedingungen, zwischendurch zog eine Schleierwolke durch.

Session D am 28.02.2019

Lichtkurve von AE UMa und Vergleichsstern
28.02.2019 19:44 - 21:07 Uhr MEZ, Omegon Photoscope 72/432 mm auf Taurus GM-60, Moravian G2-8300FW, 2x2 Binning, G-Filter, 73x60 s (= 1 h 13 min) belichtet; Blaue Messpunkte: Helligkeit des Vergleichssterns UCAC4 671-054267, Rote Messpunkte: Differenz der Helligkeiten aus AE UMa und Vergleichsstern; die Lichtkurve umfasst ca. 0,6 Perioden der Grundschwingung. Die Aufnahme der Messwerte erfolgte bei schlechten Bedingungen, zwischendurch zogen immer wieder dünne Wolken durch.

Session E am 08.03.2019

Lichtkurve von AE UMa und Vergleichsstern
08.03.2019 19:44 - 23:18 Uhr MEZ, Omegon Photoscope 72/432 mm auf Taurus GM-60, Moravian G2-8300FW, 2x2 Binning, G-Filter, 144x60 s (= 3 h 30 min) belichtet; Blaue Messpunkte: Helligkeit des Vergleichssterns UCAC4 671-054267, Rote Messpunkte: Differenz der Helligkeiten aus AE UMa und Vergleichsstern; die Lichtkurve umfasst ca. 1,2 Perioden der Grundschwingung. Die Aufnahme der Messwerte erfolgte bei schlechten Bedingungen, zwischendurch zogen immer wieder dünne Wolken durch.

Session F am 16.03.2019

Lichtkurve von AE UMa und Vergleichsstern
16.03.2019 20:07 - 00:37 Uhr MEZ, Omegon Photoscope 72/432 mm auf Taurus GM-60, Moravian G2-8300FW, 2x2 Binning, G-Filter, 190x60 s (= 2 h 15 min) belichtet; Blaue Messpunkte: Helligkeit des Vergleichssterns UCAC4 671-054267, Rote Messpunkte: Differenz der Helligkeiten aus AE UMa und Vergleichsstern; die Lichtkurve umfasst ca. 1,7 Perioden der Grundschwingung. Die Aufnahme der Messwerte erfolgte anfangs bei guten Bedingungen, zuletzt kamen dünne Wolken.

Session G am 19.04.2019

Lichtkurve von AE UMa und Vergleichsstern
19.04.2019 21:59 - 02:32 Uhr MESZ, Omegon Photoscope 72/432 mm auf Taurus GM-60, Moravian G2-8300FW, 2x2 Binning, G-Filter, 248x60 s (= 4 h 33 min) belichtet; Blaue Messpunkte: Helligkeit des Vergleichssterns UCAC4 671-054267, Rote Messpunkte: Differenz der Helligkeiten aus AE UMa und Vergleichsstern; die Lichtkurve umfasst ca. 2,2 Perioden der Grundschwingung. Dies ist die längste Session, drei Maxima fallen in den Aufnahmezeitraum. Die Aufnahme erfolgte bei sehr guten Bedingungen.

Nr. Maximum in JD Session
1 2458538,3772 A
2 2458538,4600 A
3 2458539,3212 B
4 2458539,4020 B
5 2458541,3014 C
6 2458541,3847 C
7 2458559,3388 F
8 2458559,4482 F
9 2458593,3460 G
10 2458593,4269 G
11 2458593,5162 G

Tabelle 1: Bestimmung der Maxima-Zeitpunkte aus den Lichtkurven. Die Sessions D und E wurden weggelassen.

Nr Maxima Differenz in h Anzahl Perioden Periodendauer in h
2 - 1 1,9872 1 1,98720
3 - 2 20,6688 10 2,06688
4 - 1 24,5952 12 2,04960
4 - 2 22,6080 11 2,05527
4 - 3 1,9392 1 1,93920
6 - 1 72,1800 35 2,06229
6 - 2 70,1928 34 2,06449
6 - 3 49,5240 24 2,06350
6 - 4 47,5848 23 2,06890
6 - 5 1,9992 1 1,99920

Tabelle 2: Mehrere Differenzen aus den Zeitpunkten der Maxima (siehe Tabelle 1)

Die Periodendauern stabilisieren sich bei 2,06 Stunden, wenn viele Perioden im Messzeitraum enthalten sind. Diese Periodendauer liegt bereits nahe am Literaturwert. Später habe ich mir das mühsame Auffinden der Maxima von Hand erspart und dem Programm Peranso den Vorzug gegeben.


Auswertung mit Peranso

Die Software bietet verschiedene Methoden an, die die Auswertung periodischer Lichtwechsel erlauben. Einen Überblick gibt der Artikel von Paunzen und Vanmunster, siehe [2]. Für die Auswertung der Lichtkurven von DSCT-Sternen eignet sich der CLEANest-Algorithmus am besten, der von Foster 1995 etabliert wurde [3]. Werden die Daten aus allen erfolgreichen Sessions ins Programm geladen, wird nach Ausführung des genannten Algorithmus die Hauptperiode von AE UMa sofort mit hoher Präzision gefunden.

AE UMa Auswertung mit Peranso
Auswertung mit Peranso

Ergebnis (Hauptperiode):

P = 0,0860195 d ±0,0000358 d
P = 2,064468 h ±0,000860 h

Ein Vergleich mit dem Literaturwert der Hauptperiode P = 0,08601707 d (=2,0644097 h) zeigt eine Abweichung von nur 0,21 s oder 0,0028%. Das ist ein sehr genauer Wert für den Beobachtungszeitraum von 55,2 d, der knapp 642 Perioden einschließt.

Quellen:
[2] E. Paunzen, T. Vanmunster, Astronomische Nachrichten, 18.02.2016, https://arxiv.org/pdf/1602.05329.pdf
[3] G. Foster, AJ, 109, 1889, http://adsabs.harvard.edu/full/1995AJ....109.1889F


Entfernungsbestimmung

Da Delta-Scuti-Sterne (Zwerg-Cepheiden) einer Perioden-Leuchtkraft-Beziehung unterliegen, lassen sich absolute Helligkeit und Entfernung berechnen. Hier ist mein Ergebnis:
Periode: P = 2.064468 h = 0,0860195 d (Ergebnis aus Peranso)
Perioden-Leuchtkraftbeziehung für Delta-Scuti-Sterne:
MV = -3,725 * log(P) -1,969   (hier ist die Periodendauer in Tagen einzusetzen)
MV = 2,00 mag
Scheinbare Helligkeit: mV = 11,40 mag (Mittelwert aus allen Messwerten einer Periode aus Session B)
Entfernungsmodul:
m - M = -5 + 5 * log(r)
r = 100,2 * (m - M + 5)
r = 759 pc
Aus der Gaia-Parallaxe von 1,278806 ±0,07031 mas ergibt sich eine Distanz von 782 ±42 pc. Mein berechneter Wert zur Entfernung von AE UMa liegt deutlich innerhalb des Gaia-Fehlerbalkens. Das ist ein sehr schönes Ergebnis.


Artikel im BAV-Rundbrief 2/2020

Die hier gezeigten Beobachtungen und Auswertungen sind im BAV-Rundbrief Nr. 2, 2020, S. 107 veröffentlicht worden. Siehe
Direktlink zum Artikel (pdf): https://www.bav-astro.eu/rb/rb2020-2/107.pdf
Link zum BAV-Rundbrief 2/2020: https://www.bav-astro.eu/rb/index_joomla.php?jahr=2020&sprache=de#RB_1_2020






[ Stand: 17.01.2021 | Email Icon Gregor Krannich | Gregors Astronomieseite ]