Universität Augsburg,
Wintersemester 1995
Cornelia Krannich, geb.
Winckhler
2. Die
Organisation des Salzhandels
2.2.
Die Entwicklung des Salzhandels seit dem 13. Jahrhundert
3. Das
Phänomen "Gründungsstadt"
4. Die
Gründungen Landsberg und München und ihr Aufstieg durch den Salzhandel
4.2.1. Die Gründung Landsbergs durch Heinrich den
Löwen
4.2.2.
Landsberg unter den Wittelsbachern
5. Landsberg
und München als Konkurrenten im Salzhandel
"Der Salzhandel und der
Aufstieg der altbayerischen Städte am Beispiel Landsbergs am Lech."
Soweit der Titel dieser
Seminararbeit, die aus dem Hauptseminar "Salz, Eisen, Textilien -
wirtschaftliche Zentren im Südosten Deutschlands während des Mittalters"
hervorgeht.
Die Bedeutung, welche die
Stadt Landsberg - wahrlich malerisch am Lech gelegen - im Mittelalter
hatte, ist unbestritten.
Und auch heute, in der
Gegenwart des 20. Jahrhunderts, erfreuen sich zahllose Reisende jeden Sommer an
den stummen Zeugen dieser Glanzzeit, die - wie noch auszuführen sein wird - auf
den "Wirtschatsfaktor" Salzhandel zurückzuführen war.
Eine der Fragen dieser
Arbeit wird sein, ob die planmäßige Gründung der Stadt Landsberg (oder vielmehr
der planmäßige Ausbau der präurbanen Siedlung) wirklich in der Hauptsache auf
die Kontrolle des in Mittelalter so wichtigen Salzhandels abzielte; außerdem
wird zu fragen sein, wer als der Gründer der Stadt Landsberg anzusehen ist, wie es um die Besitzverhältnisse des
Bodens um die Stadt bestellt war und welche Bedeutung der Stadt - sehr am Rande
des bayerischen Territoriums der Welfen und dann der Wittelsbacher gelegen -
nicht zuletzt auch als Grenzfeste zukam.
Noch heute jedenfalls
beeindrucken die Reste der alten Stadtmauer und lassen die vielen alten Tore
ahnen, welch wichtige Rolle diese auch jetzt immer noch gerne mit dem Attribut
"mittelalterlich" versehene Stadt in ihrer Blütezeit gespielt hat.
Um beiden Komponenten im
Titel dieser Arbeit gerecht zu werden, wird zunächst der Salzhandel in seiner
Frühform und in seinem Ablauf ab dem 13. Jahrhundert besprochen; als Verbindungsglied
gewissermaßen zwischen dem Handel und dem Aufstieg der Städte wird das Phänomen
der Gründungsstadt kurz beleuchtet und schließlich werden die in Konkurrenz
aufstrebenden altbayerischen Städte Landsberg und München behandelt, wobei das
Schwergewicht gemäß dem Thema der Arbeit natürlich auf Landsberg liegen wird.
Bevor man versucht, sich
über den Einfluß einer Handelsbeziehung auf das Wachsen und Werden einer Stadt
klarzuwerden, ist es sinnvoll, erst einmal den Handel selbst einer kurzen
Betrachtung zu unterziehen.
Das Salz war von alters her
eines der wichtigsten Handelsgüter.
Seine Bedeutung für die
menschliche Existenz sei nur ganz kurz umrissen.
Ganz abgesehen von den
wichtigen Funktionen, die Salz im menschlichen Körper zu erfüllen hat, war es
als Konservierungmittel von ganz immenser Bedeutung. Auch im Handwerk spielte
das Salz eine wichtige Rolle. So salzten die Gerber beispielsweise die Häute
ein, um sie zu Leder weiterverarbeiten zu können, und Färber brauchten das Salz
als Bleich- und Bindemittel. Natürlich war Salz darüberhinaus auch ein sehr
wichtiges, wenn nicht sogar das Gewürz.
Im Gegensatz zu seiner
großen Bedeutung war und ist Salz an nur wenigen Stellen in Euopa zu finden,
sieht man einmal von den Küstenstreifen der Meere ab, wo der Rohstoff Salz praktisch
vor der Türe liegt.
Über den Ablauf der
frühesten Form des Handels mit Salz, nämlich den Transport einer Gegenfracht,
wie beispielsweise Getreide, zur Produktionsstätte und dann den Rücktransport
des eingetauschten Salzes, besteht Einigkeit in der Forschung.
Weitgehende Einigkeit
besteht auch darüber, daß man über die allerfrüheste Zeit (womit allerdings
nicht immer die gleichen Jahrhunderte gemeint sind), über den Umfang und die Organisation
dieses Salzgewerbes, aufgrund der außerordentlich schlechten Quellenlage keine
gesicherten Erkenntnisse besitzt.
Bei Vietzen steht zu lesen,
daß Reichenhall schon im sechsten Jahrhundert nicht nur ein ausgedehntes
Hinterland mit Salz versorgte, sondern schon ganz allmählich die Entwicklung
eines Salzhandels ermöglichte, der sich zur Zeit der Karolinger in Bayern
"schon weithin erstreckte."1
Dieser Salzhandel erfolgte
ganz offensichtlich noch nicht auf dem Landwege, denn Vietzen stellt als
Handelswege zu dieser Zeit die Flußläufe der Salzach, des Inns und der Donau
vor.
Als Hauptniederlage gibt
Vietzen Regensburg an, von dem er vermutet, daß es schon unter der
Römerherrschaft von großer Bedeutung war und als Ausgangspunkt für den
Salzvertrieb nach Böhmen und ins Fränkische diente. Vietzen vermutet weiterhin,
daß sich in Passau eine zweite Niederlage ausgebildet hatte, die nun ihrerseits
Regensburg mit dem weißen Gold versorgte und es darüberhinaus donauabwärts nach
Österreich und Böhmen vertrieb.
Was die Westrichtung des
Salzhandels angeht, die in diesem Zusammenhang ja mehr interessiert, so schätzt
Vietzen, daß eine dritte Salzniederlage in Freising bestand, von wo aus das
Inland bis hin zu den Alpen mit Salz versorgt wurde.
Ursprünglich wurde die
Ausfuhr des Salzes nach Schwaben wohl nur über den aus römischer Zeit
stammenden Hauptstraßenzug Salzburg-Augsburg abgewickelt, der den Inn bei Rosenheim
kreuzte und die Isar bei Grünwald.
Später dann wurde ein
anderer, kürzerer Weg für den Transport des Reichenhaller Salzes benuzt, bei
dem der Inn bei Wasserburg übertreten wurde und die Isar bei Föhring.2
Bei Waderwitz findet man
hinsichtlich der Frühphase des Salzhandels ganz ähnliche Informationen.
Auch er spricht davon, daß
bereits Ende des neunten und Anfang des zehnten JahrhundertsReichenhall als die
Hauptsaline Bayerns weite Teile Böhmens, das mährische Reich und teilweise auch
Rußland mit Salz versorgte. Beim Handel in westlicher Richtung ist Wanderwitz
ebenfalls zurückhaltend: "Es ist nicht bekannt, wie weit in jener frühen Zeit
das bayerische Salz nach Westen transportiert wurde."3
Wanderwitz hält es ebenfalls
für sehr wahrscheinlich, daß der früh- und hochmittelalterliche Binnenhandel in
Bayern von den Verbrauchern betrieben wurde, die sich aus ihren salzlosen
Gegenden aufmachten, und mit ihren vollbepackten Wagen (Gegenfrachten) nach
Reichenhall fuhren und sich dort ihr Salz eintauschten.
Folgt man Wanderwitz, so gab
es vermutlich im altbayerischen Raum
aus diesem Grunde bis ins 13. Jahrhundert keine großen Salzhandelsstädte, die
das Niederlagsrecht besaßen.
Der bayerische "Außenhandel"4 mit Salz wurde wohl über drei Orte
abgewickelt, nämlich Föhring (später dann München), Regensburg und Passau;
diese drei Orte verfügten über die nötige Infrastruktur, über Zoll, Markt und
Münze. Von dort holten sich dann vermutlich auch die bayerichen Verbraucher ihr
Salz.
Auch Wanderwitz beklagt den
Mangel an Quellen für das Salzhandelssystem des Früh- und Hochmittelalters.
Allerdings zieht er die
Raffelstettener Zollordung aus dem Jahren 903/6 heran, um darzulegen daß es zwei
parallele Arten des Salztransportes gab: einmal zur Selbstversorgung und auch
in dieser frühen Zeit schon - wenn auch sicher in weitaus geringerem Ausmaß als
in der Zeit, die hier interessiert (zweite Hälfte des 13. Jahrhundets für die
Gründung der Stadt) - als kommerzieller
Transport zum Verkauf auf Märkten.
Auch hier scheint -
unausgesprochen - von einem Transport
zu Wasser ausgegangen worden zu sein, denn an anderer Stelle bekennt auch
Wanderwitz, daß über den Landhandel
mit Salz keine Kenntnisse vorhanden
sind.
Im Jahre 931 wird in
Reichenhall ein "forum" erwähnt, allerdings wird angenommen, daß der
Salztransport und -handel bis ins 13. Jahrhundert "keinen solchen Umfang
erreicht hatte, daß
er zum Aufblühen von Märkten
oder Städten geführt hätte."5
Diese Aussage läßt den
Schluß zu, daß also zwischen dem Aufblühen der Städte und dem sich ab dem 13.
Jahrhundert ausweitenden Salzhandel ein Zusammenhang besteht.
Dazu paßt auch die
Vermutung, daß das Straßensystem in Bayern zumindest im 12. Jahrhundert noch so
differenziert war, daß es aus diesem Grund keinerlei konzentrierte Warenströme
geben konnte wie man es dann im 13. Jahrhundert beobachten kann.
Die Zeit, die im
Zusammenhang mit der Entstehungsgeschicht Landsbergs interessiert, ist die
zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts (für Burg, Brücke und präurbane Siedlung),
eine Zeitspanne also, in der der Salzhandel Vietzen und Wanderwitz zufolge noch
nicht allzu sehr ausgeprägt war und kein Massengütertransport stattfand.6
Der sogenannte zweite Ausbau
der präurbanen Siedlung, der planmäßige Ausbau zur (schließlich auch
befestigten) Stadt erfolgte in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, als den
Darstellungen zufolge der Handel mit Salz einen entscheidenden quantitativen
Sprung machte.
Im nächsten Abschnitt wird
dem nachgegangen.
Wie weiter oben schon
mehrmals angeklungen, fand im Laufe des
13. Jahrhunderts eine Veränderung den Umfang und Ablauf des Handels betreffend
statt.
Nach dem explosionsartigen
Anwachsen der Bevölkerung im Hochmittelalter war natürlich auch der Bedarf an
Salz gestiegen.
Reichenhall steigerte
dementsprechend seine Produktion, allerdings wurde nun auch das Salz aus dem
Salzburgischen Hallein, das zwar nicht so "reich" war (die aus den Quellen am
Dürrnberg geförderte Sole war dünner als die in Reichenhall) aber dringend
nötig zur Deckung des gestiegenen Bedarfs, für die Versorgung Bayerns
interessant.
Nicht unerheblich für das
stete Anwachsen des Salzhandels dürften auch technische Innovationen wie die
Weiterentwicklungen bei Pferdegeschirr und Wagen gewesen sein.
Die Erfindung des Kummet
hatte für eine erhöhte Zugkraft der Gespanne gesorgt - bei einer schweren Fracht wie es die Salzscheiben mit einem
geschätzen Gewicht von gut 1,5 Zentnern pro Scheibe waren, sicher eine
hochwillkommene Verbesserung.
Ähnliches gilt für die Wagen
selbst, die durch die Einführung einer beweglichen Vorderachse und der
Ausstattung mit vier Rädern bessere Fahreigenschaften erhielten und eine größere
Transportkapazität aufwiesen.7
Solche Verbesserungen waren
auch sicherlich nötig.
Der Landweg nach Westen war
beschwerlich. Die Straßen waren ganz nach Jahreszeit in einem unglaublich
schlechten Zustand: dort, wo im Herbst schlammige Passagen und Löcher zu einer
ernsten Gefahr für die Gespanne wurden, waren im Winter vereiste Stellen und im
Sommer schließlich ausgetrocknete Schlaglöcher.
Dazu waren die Alpenflüsse,
die zumeist nur an Furten zu überqueren waren, ebenfalls unberechenbare
Hindernisse, so daß die Errichtung von Brücken eine geradezu natürliche Folge
des zunehmenden Handels und Transportes von Salz war.
Auf der Westhandelsroute,
von Reichenhall bis zum Hauptumschlagplatz in andere Richtungen, Memmingen,
wurde der Landweg durch den Inn (bei Wasserburg), die Isar (bei Föhring, später
München) und den Lech (bei Landsberg) unterbrochen, wo es jeweils - wie verschiedentlich
vermutet wird - im Laufe des 12. Jahrhunderts zum Bau einer Brücke und einer
Burganlage oder sonstigen Ansiedlung zum Schutz der Brücke kam.
Wanderwitz spricht davon,
daß sich schon im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts ein System von
Salzniederlagen ausgebildet und gefestigt hatte und vor allem Traunstein,
Wasserburg, München und Friedberg Niederlagsorte waren - und zwar aus
Gewohnheitrecht, nicht etwa durch Privilegierung.8
Dies ist um so
interessanter, bedenkt man wie im 14. Jahrhundert aus diesen überkommenen
Gewohnheitsrechten ein beliebtes politiches Druckmittel und ein Instrument zur
Regulierung des Handels und des Absatzes für die Landesherren erwuchs.
Auf Beides wird an anderer
Stelle eingegangen werden.
Das Handeslssystem, welches
sich auf der Strecke Reichenhall-Augsburg ausbildete, war sehr differnziert und
auch stark reglementiert.
"Die Markttage auf der Strecke
Wasserburg-München-Augsburg/Landsberg waren so gestaltet, daß am Montag und
Dienstag Markt in Wasserburg gehalten wurde, das Salz am Dienstag in Wasserburg
dann aufgegeben wurde, am Mittwoch und Donnerstag in München umgeschlagen und
von Donnerstag bis Samstag in Augsburg weiterverkauft werden konnte."9
Es war nicht minder streng
festgeschrieben, wer auf den jeweiligen Streckenabchnitten mit der Ware Salz
Handel treiben durfte.
Von vorneherein waren
natürlich nur Wasserburger, Münchener und Augsburger Kaufleute auf dieser
Strecke anzutreffen.
Die Wasserburger holten das
Salz aus Reichenhall und brachten es nach Wasserburg, von dort holten es die Münchener in ihre Stadt, wo es
niedergelegt und an andere Münchener Bürger verkauft wurde, die es dann selbst
nach Augsburg oder Landsberg weitertransportieren oder an Gäste in der Stadt
München verkaufen konnten.
Die beschriebene Regelung
fand im Jahre 1332 in der Goldenen Bulle Kaiser Ludwigs ihren vorläufigen
Abschluß.10
Landsberg besaß also zu
dieser Zeit definitiv noch keine Salzniederlage sondern wurde von Münchener
Händlern mit Salz versorgt oder fuhren selbst, um den Eigenbedarf zu decken, an
den Markttagen nach München um Salz.
Immerhin bestand zu dieser
Zeit aber schon der Brückenzoll für den Übergang über den Lech. Ein bißchen
profitierte die Stadt also schon vom Salzhandel, wenn dies auch in keiner Relation
zum später erworbenen Niederlagsrecht und den Einnahmen daraus stehen sollte.
Gerade im Zusammenhang mit der Gründung der Städte München und
Landsberg gehen die Ansichten über die wahren Absichten der Gründer oft
auseinander.
Daher scheint es
angebracht, zunächst einmal in ganz
allgemeinem Rahmen der Frage nach den Motiven für die planmäßige Gründung bzw.
den Ausbau einer Stadt nachzugehen.
Bis weit in des 12.
Jahrhundert war Bayern ein ausgesprochen städtearmes Land.
Sieht man einmal von den
Bischofs- und Residenzstädten (Freising, Salzburg, Passau und Regensburg)11 ab, so hat man es bis zum 12.
Jahrhundert mit einer präurbanen Siedlungslandschaft zu tun, die gewiß eine
nicht unerhebliche Zahl von Marktorten mit zentraler Funktion (wie Klöster,
Burgen, Pfalzen, Höfe und sonstige herrschaftliche Zentren es waren) aufwies, die später planmäßig zu Städten
ausgebaut wurden.12
Gemeinhin werden die Staufer
als Erste mit dem Phänomen der planmäßigen Stadtgründung in Verbindung gebracht.
Für den Zeitraum um 1150
geht Liebhart von ca. 200 Städten in Mitteleuropa aus, wovon etwa die Hälfte
westlich der Linie Genf-Verdun-Utrecht lagen.
Vor allem die Staufer
Friedrich Barbarossa (1152-1190) und Heinrich der VI. (1190- 1197) betrieben
eine expansive Städtepolitik, die dazu führte daß sich die Zahl der Städte bis
1200 verdreifacht hatte und mit ca. 1500 städtischen Siedlungen um die Mitte
des dreizehnten Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreicht hatte.
Die Staufer hatten, so
Liebhart, "im Rahmen ihrer Reichsland- und Territorialstaatenpolitik planmäßige
Städtegründungen als ein Mittel zur Herrschaftsbildung im großen Stil erprobt."13
Zunächst muß kurz
festgehalten werden, daß die planmäßige
Gründung den Unterschied zu einer gewachsenen
Siedlungsform meint und damit ausdrückt, daß durch ein direktes Eingreifen
"von oben" eine neue Stadt oder städtische Siedlung erst geschaffen oder doch
aus bereits Vorhandenem ausgebaut wird.
Die Motive dafür - so auch
bei den Staufern - konnten ganz unterschiedlicher Natur sein: es waren in der
Regel territorialpolitische Interessen ebenso wie wehr-, verkehrs, wirtschafts-
und fiskalpolitische Interessen; darin wurden die Staufer "zu Vorbild und
Anstoß für die anderen Fürsten des Reiches wie die Zähringer, die Welfen, die
Landgrafen von Hessen und Thüringen, die Erzbischöfe von Mainz und Köln, die
Welfen, die Herzöge von Bayern und Württemberg, ja selbst für die großen und
kleinen Reichsministerialen."14
An der also von den Staufern
iniziierten allgemeinen Urbanisierung, die im 12. Jahrhundert "mit großer
Stoßkraft"15 einsetzte, beteiligten
sich auch die ersten wittelsbachischen Herzöge, indem sie ebenfalls Städte
gründeten oder bereits bestehende zentrale Orte zu solchen ausbauten.
Solche präurbanen Zentren
bestanden laut Kratzsch schon seit dem 11. und 12. Jahrhundert, waren aber
nicht unbedingt "automatisch" der Ausgangspunkt für die Neugründungen.
Sehr häufig sogar schlossen
die herzoglichen Gründer eben nicht direkt an diese Siedlungen an, sondern
verlegten die ihnen zugeordneten Verkehrswege und Flußübergänge lieber an einen
Platz in der Nähe.
Dahinter stand in den
meisten Fällen die Absicht, konkurrierende Territorial- oder Grundherren zu
schädigen. Nur so war es sinnvoll, die an die älteren Siedlungsplätze
gebundenen Markt- und Zollrechte auf die Neugründung zu übertragen; oft
war der Anlaß für Verlegung und
Neugründung, daß der Herzog die einträglichen Rechte und Privilegien auf einer
für ihn günstigeren besitzrechtlichen Position sehen wollte.16
Dieser Umstand spielte bei der
Gründung/Entstehung Münchens eine wesentliche Rolle.
Die wittelsbachischen
Herzöge hatten nun - wie die Staufer - recht unterschiedliche Gründungsmotive.
Sie betrachteten die Städte
als befestigte Stützpunkte beim Landesausbau und als solche waren sie unter
Beachtung der jeweiligen strategischen Möglichkeiten fast immer einer besonders
gesicherten herzoglichen Burg zugeordnet.
Der enge Zusammenhang
zwischen dem Vorhandensein einer Burganlage und der Entstehung einer präurbanen
Siedlung wird am Beispiel Landsbergs noch genauer zu zeigen sein.
Allerdings waren auch
strategische Überlegungen bei Gründung und Ausbau stets von größter Bedeutung.
So bezogen sich nach
Kratzsch fast alle herzoglichen Grüdungen (gemeint sind hier vor allem die
wittelsbachischen) von der Platzwahl her auf weiter entfernt gelegene
gegnerische Positionen, so daß man Landsberg und Friedberg als planmäßige
Gründungen gegen den Augsburger Bischof
betrachten kann.
So konnten zum Beispiel
aktuelle politische Ereignisse, durch die bestimmte Grenzlagen sehr plötzlich
wieder wichtig werden konnten, Platzwahl und Gründung mitbestimmen.
"Vor allem aber wurden
Knotenpunkte von Fern- und Altstraßen, ihre Flußübergänge und die Wasserstraßen
selbst für die Platzwahl ausschlaggebend."17
Natürlich hatte diese Form
des Landesausbaus auch Auswirkungen auf das Wirtschaftssystem Bayerns.
Die Städte- und
Marktgründungen führten zu einer Konzentration des Handels auf bestimmte
Straßen und Umschlagplätze.
Von vorneherein waren aber
wohl in den meisten Fällen auch (also nicht ausschließlich,
wie gern behauptet wurde und wird)18
wirtschaftliche und insbesondere fiskalische Interessen mit im Spiel, wenn eine
Stadt gegründet wurde.
Dafür spricht, daß die
Stadtanlagen allesamt mit Marktplätzen ausgestattet waren - man war also darauf
aus, den Handel in die Neugründungen zu ziehen.
Teilhabe am Handel bot eine
sichere wirtschaftliche Grundlage, um dem Gemeinwesen ein Überleben zu sichern
- so ist kein Zufall, daß die Neugründungen Traunstein, Wasserburg, München und
Friedberg wie auch Landsberg genau die Westhandelsroute einfaßten und sich
schließlich "zu einer mit Niederlagen ausgestatteten ,Monopolstraße´"19
entwickeln konnten.20
Bei den beiden Letzteren muß
natürlich immer im Hinterkopf behalten werden, daß sie Gegenstädte" zu Augsbug
waren; wie am Beispiel Landsbergs noch gezeigt werden wird, bot es sich gerade
für solche gefährdeten Städte an,
wirtschaftliche Privilegien als Ausgleich für die exponierte Stellung zu
vergeben.
Bisher konnte gezeigt
werden, daß die Handelsbeziehungen Bayerns und die Städtegründungen (seit den
Staufern) nicht als isolierte Phänomene gesehen werden können, wenn auch
Vorsicht anzuraten ist, wenn es um die ursächlichen Abhängigkeiten geht.
Wichtig ist auch, daß eine
aus strategisch-militärischen Absichten gegründete Stadt ihren weiteren
Aufstieg und ihr Erblühen dem Handel verdanken konnte, ohne unter dieser Prämisse
gegründet worden zu sein.
München nun ist solch eine
planmäßige Gründung des welfischen Herzogs Heinrichs des Löwen, in der
Wanderwitz den Abschluß der östlichen Sicherungspolitik für die
schwäbisch-westbayerischen Besitzungen des Löwen sieht. Das Vorgehen des
Herzogs wird charakterisiert als "das vorsichtige Auffüllen sich eröffnender
Machtlücken (...), wobei Vorsicht in einer Zeit der legalen Fehdemöglichkeit
Gewaltanwendung nicht auschloß. Man könnte die bayerische Politik des Welfen
aber schlicht als Hausmachtpolitik unter Ausnutzung der herzoglichen Stellung
bezeichnen."21
Mit diesem Hintergrund
nähert sich Wanderwitz dann den Vorgängen um München und Föhring, die hier nur
kurz umrissen seien.
Seit 903 im Besitz des
Freisinger Bischofs hatte Föhring zunächst keine bedeutende Rolle gespielt und
- im Gegensatz zu Freising - weder Markt noch Münze besessen.
In den Jahren zwischen 996
und 1158 mußte allerdings eine Verlagerung von Markt und Münze nach Föhring
erfolgt sein, außerdem gab es seit dieser Zeit in Föhring auch eine Zollbrücke.
Die Vermutung liegt nahe, daß eine Verlagerung der Hauptverkehrsroute ein Stückchen
nach Süden in den Raum Föhring (und später München) hinein stattgefunden
hatten.
Wie weiter oben schon
erwähnt, war es nur zu verständlich, daß die Freisinger Herren dieser
Entwicklung Rechnung trugen und Markt und Münze nach Föhring verlegten und den
Ort ausbauten.
Nachdem es - wie Wanderwitz
aus den Quellen rekonstruiert - vermutlich schon einmal um 1140 Streit zwischen
den Welfen und dem Freisinger Bischof wegen dieses Handelsplatzesgegeben hatte,
wurde das "Problem München" mit dem Machtantritt Heinrichs des Löwen wieder
aktuell.
Der Welfe errichtete im
Zeitraum zwischen 1156 und 1158 eine Brücke bei München und verpflanzte Markt
und Münze dorthin. Die bischöfliche Anlage bei Föhring zerstörte er.
Was nun Heinrichs Motive
angeht, so vertritt Vietzen die Ansicht, daß es dem Herzog nicht ausschließlich
um eine Zollstätte zu tun war, wie er sie dem Freisinger Bischof sicherlich
neidete, "sondern um die Schaffung eines freien bürgerlichen Gemeinwesens, das
bei kraftvoller wirtschaftlicher Entwicklung eine Stütze seiner Machtpolitik
sein Konnte."22
Heinrich der Löwe hatte, so
Vietzen, erkannt, daß der Salzhandel hierfür eine ausgezeichnete
wirtschaftliche Grundlage bot.
Und deshalb wollte er laut
Vietzen die in Föhring vorhandenen Rechte - insbesondere das der Salzniederlage
- und natürlich das des ausschließlichen Übergangs über die Isar für seine
Gründung München besitzen.23
Es ist übrigens nicht
bekannt, ob der Welfe bei seiner Gründung auf alte Einrichtungen zurückgreifen
konnte oder ob er quasi aus dem Nichts heraus alles neu aufbauen lassen mußte.
Wie dem auch sei, dem
Freisinger Bischof Otto I. war diese "militante Konkurrenz" natürlich ein Dorn
im Auge und so erfolgte seine Appellation beim Kaiser, die dann zu dem
Vergleich von 1158 führte.
1180, nach der Absetzung des
Welfen, machte Bischof Albert von Freising einen weiteren Versuch, die alten
Verhältnisse in Föhring wiederherzustellen, und er hatte mit seiner Klage beim
Kaiser Erfolg: das Urteil von 1158 wurde teilweise revidiert und dem Bischof
wurden Brücke und Markt zurückgegeben.
Von München selbst ist in
diesem Urteil nicht die Rede, in den Schäftlarner Annalen findet man zu dieser
Angelegenheit den etwas lakonischen Kommentar: "Munichen destruitur. Feringen
reedificatur."
München war also "zerstört"
worden.
Mit Markt und Münze hatte
München unverzichtbare Bestandteile für sein Fortbestehen als Ort an einer
wichtigen Fernhandelsroute verloren. Der Ort selbst war für Heinrich den Löwen
überaus wichtig gewesen, um Brücke und Burg zu erhalten, umso mehr natürlich,
als Heinrich selbst im unmittelbaren Umland Münchens keinen Grundbesitz sein
eigen nennen konnte.24
Ohne die zerstörte Burg
jedenfalls war auch der Marktort mit seinem Flußübergang ziemlich wertlos.
Allerdings konnte München
all diesen Widrigkeiten zum Trotz die Zeit bis zum Ende des 12. Jahrhunderts
überdauern und wurde, mittlererweile im Besitz der Wittelsbacher, vermutlich
wieder als Gegenposition zu Föhring ausgebaut.
Die Wittelsbacher hatten nun
im Gebiet um München eine weitaus bessere Ausgangsposition als Heinrich der
Löwe sie hatte. Zwischen Freising bzw. Föhring und München im Osten und
Augsburg im Westen lag ein Kerngebiet wittelsbachischen Besitzes und
wittelsbachischer Macht.
Für München begann nun der
Aufstieg zum wichtigsten Handelsplatz für Salz auf der Augsburger Straße.
Wanderwitz resümiert: "Das
Problem der Gründung Münchens ist sicherlich ein Problem des Salzhandels, denn
der Salzhandel dürfte die materielle bzw. wirtschaftliche Grundlage des
Isarüberganges abgegeben haben."25
So bleibt also festzuhalten,
daß München weder von Heinrich dem Löwen gegründet noch von den Wittelsbachern
ausgebaut wurde, um den Salzhandel in westlicher Richtung durch Bayern unter
Kontrolle zu bekommen; wohl aber war der Salzhandel dasjenige Element, welches
München zu seinem Wachstum und seinem Wohlstand verholfen hatte.
So verwundert es nicht, daß
"das Bewußtsein, daß das Salzniederlagsrecht Münchens ein uraltes, mit der
Gründung der Stadt erworbenes und eng verbundenes Recht sei, (...) sich in allen
Zeiten bei den Bürgern lebendig erhalten (hat)."26
Entsprechend war die
Reaktion auf die zeitweilige und immer wieder vorkommende Aufhebung dieses
(Gewohnheits-) Rechtes: 1332 ließen sich die Bürger der Stadt diese für sie so
lebenswichtigen Privilegien in einer goldenen Bulle von vom Kaiser
wiederherstellen und auf ewig bekräftigen.
Freilich sollte auch das in
Zukunft kein Schutz vor herzoglicher Strafe in Form des Entzuges der
Wirtschaftsgrundlage sein.
Auch anhand des Kampfes
gegen die Landsberger Salzniederlage wird zu zeigen sein, wie wichtig und
wertvoll die Salzniederlage für die Stadt München inzwischen geworden war.
Wie bereits weiter oben
angedeutet, war Bayern bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts ein ausgesprochen
städtearmes Territorium. Die wenigen Städte, die sich für diese Zeit festmachen
lassen, befinden sich entweder an Grenz- oder wichtigen Verkehrslagen oder
waren Residenzstädte; allgemein vorherrschend war - so Fried - "der Markt als
typische Form der Kleinstadt."27
Fried beschreibt als ein
weiteres Charakteristikum für die Zeit, daß bei vielen Städten und vor allem
den Märkten eine Burg existierte, die vermutlich oft auch der Ausgangspunkt für
die Entstehung der jeweiligen Siedlung war. Aber auch Fried räumt ein, daß dies
nicht immer der Fall war, denn er erwähnt eine Reihen von Burgen, die ohne
Markt oder Stadt bestanden.
Vergleicht man den "Stand"
der Städte bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts mit der Zahl der Städte im 13.
Jahrhundert, läßt sich feststellen, daß im Verlauf des 13. Jahrhunderts eine ganze
Reihe Städte entstanden war; herzogliche Gründungen meist, die aus den weiter
oben dargelegten Motiven heraus ins
Leben gerufen worden waren.
Eine solche war auch
Landsberg am Lech, dessen Beginn als präurbane Siedlung um die Burg derer von
Pfetten Heinrich dem Löwen zugeschrieben wird.
Bedauerlicherweise gibt es
praktisch kaum Quellenmaterial über die Gründungsgeschichte Landsbergs, so daß
es wohl mehr Hypothesen, Theorien und Interpretationen als gesichertes, durch
Quellen gestüztes, Material gibt.
Fried hat vier gesicherte
Feststellungen aus dem Quellenmaterial herausgefiltert.
1. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts taucht in den
Urkunen erstmals ein Ort "Phetine" genannt auf; der Name geht zurück auf die
ritterlichen Dienstmannen des Welfenherzogs Heinrichs des Löwen.
2. Um 1160 wurde zu Phetine eine Burg erbaut, die in den
Quellen bald "Landespurch" bzw. "Landesperch" genannt wird. Die Burg gehörte
Heinrich dem Löwen und war vermutlich aus dem schon vorher bestehenden Amtssitz
derer von Pfetten baulich hervorgegangen. Gleichzeitig wird auch eine Brücke
über den Lech bei der Landesburg erwähnt.
3. Die Kirche zu "Phetine" geht 1219 als Schenkung des
Herzogs Otto II. von Bayern in den Besitz des Klosters Wessobrunn über.
4. Erst nach 1279/84 schließlich wird Landsberg
erstmalig in einer Urkunde als Stadt (civitas) erwähnt, die in
wittelsbachischem Besitz ist.28
Soweit die von Fried als
gesichert eingestuften Informationen über die Entstehung einer präurbanen
Siedlung um den Amtssitz derer von Pfetten, die vom Welfenherzog durch den Bau
einer Burg eingeleitet wurde.
"Das Ziel, das Heinrich der
Löwe mit der Anlage einer größeren Burg auf dem Schloßberg verfolgte, bestand
(...) in der Sicherung der Lechbrücke des neu angelegten Salzhandelsweges, der
von Reichenhall über Wasserburg, München und Landsberg in die oberschwäbischen
Besitzungen der Welfen führte, wo Memmingen der Haupthandelsplatz war. An der
empfindlichsten Stelle, am Lechübergang, mußte der neue Weg durch eine Burg
geschützt werden, sollte im Zeitalter der Fehden ein stärkerer Handel nicht von
vorneherein gefährdet werden. Der Burgenbau zu Landsberg bildete, (...), ein
Teilstück in dem großen Plan Herzog Heinrichs des Löwen, sein bayerisches
Herzogtum mit dem fortschrittlichen Mittel der Belebung von Handel und Verkehr
finanz- bzw. zollpolitisch zu erschließen."29
Diese Argumentation, wie sie
Fried hier ausführt, scheint plausibel vor allem dann, wenn man sich das recht
rigide Vorgehen des Welfen bei der Gründung Münchens vor Augen hält, dem ja
ganz ähnliche Motive zu Grunde lagen: um seiner Gründung München wirtschaftlich
"auf die Beine zu helfen" hatte sich Heinrich nicht gescheut, das
konkurrierende Föhring des Freisinger Bischofs zu zerstören.
Für den Unterhalt einer Burg
von der Größe Landsbergs mußte der Burgherr über eine größere Herrschaft über
scharwerkspflichtige Bauern verfügen; der Welfe war Vogt über das Kloster
Wessobrunn und er hatte diese Vogtei weiterverlehnt an seinen Vasallen Heinrich
von Stoffen, der höchstwahrscheinlich auch Kommandant der Landesburg war.
Bevor Landsberg 1290
erstmalig als civitas urkundliche Erwähnung findet, lassen sich keine
geicherten Quellenerzeugnisse über einen städtischen Charakter der Siedlung Phetine/Landsberg
festmachen.
Heinrich der Löwe hatte beim
Ausbau des Amtsitzes seiner
Dienstmannen zu einer wehrhaften Burg also vermutlich nicht in erster Linie die
Absicht gehabt, einen Markt oder eine Stadt zu gründen. "Gegen eine primäre
Markt- und Stadtgründung spricht (...) die denkbar ungünstige Lage der späteren
Stadt ,zwischen dem wilden Lech und einer verkehrsfeindlichen Steilhöhe`; es
war also nur der Handel, vor allem der mit Salz, der dort einen bevölkerten Ort
und eine Stadt entstehen ließ."30
Faßt man Frieds Ausführungen
über die Gründung Landsberg soweit zusammen, so kam es dem Welfen bei seinen
Gründungen (was man hier als die "Grundsteinlegung" für das Entstehen einer
präurbanen Siedlung in Form eines Burgenbaus bezeichenen möchte) auf die Beherrschung
und Sicherung des Verkehrs an, um sich in den Genuß der finanziellen Vorteile
wie hier eben der Brückenzoll am Lech, zu bringen.
Jedenfalls entstand im Zuge
der Errichtung der Burg und der neuen Brücke noch im 12. Jahrhundert unterhalb
der Burg eine "Siedlung präurbanen Charakters"31,
deren wirtschaftliche Grundlage zu einem gewissen Teil in der zollpolitischen
Ausnützung des Salzvertriebes über die Lechbrücke gelegen haben dürfte.
Für die Gründung der
eigentlichen (im Wortsinne richtigen) Stadt veranschlagt sich Fried auf die
Zeit nach 1246, die Zeit der wittelsbachischen Herzöge also, von deren
Städtegründungspolitik im Allgemeinen bereits an anderer Stelle die Rede war.
Fried vermutet, daß die Stadt Landsberg eine Gründung Herzog
Ludwigs II. von Bayern war, was allerdings -wie Fried selbst anführt - nicht
schlüsig bewiesen werden kann.
Ebenso ist es eine leider
unbewiesene Vermutung Frieds, daß die erste Stadtrechtsverleihung zwischen 1260
und 1280 durch Herzog Ludwig den strengen von Bayern erfolgt war.
Was mit Landsberg,
welfischer Besitz bis zum Sturz des Löwen 1180, in der Zeitspanne bis zu den
Zeugnissen als wittelsbachische Stadt
geschah, ist leider ebenfalls nicht mit Quellen zu belegen.
Ähnlich wie bei München
scheint es bis zum Eingreifen der Staufer eine Phase der Stagnation oder gar
des Nieder- oder vielleicht besser des Rückganges gegeben zu haben.
Auf sicherem Grund bewegt
man sich allerdings bei solchen Vermutungen nicht.
1180 fiel Heinrich der Löwe
bei seinem Lehnsherren Kaiser Friedrich
I. in Ungnade und verlor sein bayerisches Herzogtum.
Was dies für Landsberg
bedeutete, kann wie gesagt, nur vermutet werden.
Nach 1200 verschwindet der
Name "Landsberg" jedenfalls für mehr als 60 Jahre aus den auf uns gekommenen
Urkunden, lediglich die Kirche Phetine taucht zweimal (1219 und 1246) auf.
Schließt man eine
lückenhafte Überlieferung als Grund für diesen Umstand aus, liegt der Schluß
nahe, daß die Burg Landsberg nach 1200 keine Rolle mehr gespielt hatte, und diesmöglicherweise
sogar mit Wissen und Wollen der Staufer, die den ganzen Lechrain seit 1191
innehatten.
So war vielleicht nur mehr
der Sitz der Pfetten als einziges (wie vor dem Burgbau Heinrichs des Löwen) auf
dem Schloßberg übriggeblieben sein, da der zugehörige junge Ort - wie Fried
vermutet - aufgelassen worden war.
Natürlich wurde der
Schloßberg wieder interessant - für die Wittelsbacher diesmal.
Durch den Anfall des
andechsischen Besitzes im Jahre 1248 und die wittelsbachische Vormundschaft
über den letzten Staufer nach dem Tode Königs Konrad IV. im Jahre 1254 bestand
plötzlich eine reale Aussicht, den ganzen Lechrain und darüber hinaus auch noch
einen größeren Teil des schwäbischen Herrschaftsbesitzes der Staufer zu
erwerben.
Der Burgplatz auf dem
Schloßberg war nach der Mitte des 13. Jahrhunderts also wieder von
strategischer und verkehrspolitischer Bedeutung; der Schloßberg wurde wieder
befestigt, um als Grenz- und Handelsstützpunkt des Herzogtums am Lech seine
wichtige Aufgabe zu erfüllen.
Es war natürlich für die
wittelsbachischen Hoffnungen nicht eben vorteilhaft, daß der Boden um
Landsberg/Phetine bereits 1246 als Mitgift der Wittelsbacherin Elisabeth an
ihren Gemahl König Konrad IV. gekommen war; damit war Landsberg also zunächst
erst einmal stauficher Besitz - bis zu
Karls Tod im Jahre 1254.32
Erbe war Konradin, der
letzte Staufer, der die Ländereien an seinen Onkel und Vormund, den bayerischen
Herzog Ludwig II. den Strengen, verpfändete.33
So hatten die Wittelsbacher
nun doch wieder ihre Hand auf der Mitgift.
Fried vertritt nun
allerdings die Ansicht, daß Landsberg nicht - wie bei Münzer angeführt - ein
Teil des "Konradinischen Erbes" am Lech war, welches 1268 endgültig an die
Wittelsbacher kam.
Fried begründet diese Annahme
zum Einen damit, daß Landsberg nicht im konradinischen Erbe auftaucht; zum
Anderen legen zwei Quellenstücke die Vermutung nahe, daß Landsberg/Phetine auf
einem anderen Weg an die Wittelsbacher gekommen war.
Im Lehenbuch des Stiftes
Kempten aus dem Jahre 1451 nämlich wurde Landsberg ("Landsberg daz schloß und
die statt") an erster Stelle als Lehen des Gotteshauses Kempten angeführt, als
dessen Lehensträger wiederum nur der Herzog von Bayern in Frage kam, der auch
das Erztruchsessenamt des Stiftes vom Kloster Kempten zu Lehen trug.
Zumindest bietet der
Umstand, daß Landsberg im 15. Jahrhundert als selbständiges Lehensobjekt
auftrat, eine Erklärung dafür, daß Landsberg in den konradinischen
Schenkungsurkunden nicht genannt wurde.34
Auf alle Fälle fand nach der
Mitte des 13. Jahrhunderts ein wittelsbachischer Neuanfang in Landsberg statt.
Seit dieser Zeit war auch
der Name "Phetine" aus den Quellen verschwunden; die Bezeichnung "Landsberg"
war vielleicht die lebendig gebliebene Erinnerung an die alte Landesburg
Heinrichs des Löwen.
So wurde also sehr
wahrscheinlich unter Ludwig II. von Bayern die Burg Landsberg von neuem
befestigt und zum Sitz eines Richters und eines wittelsbachischen Landgerichts
gemacht.
Etwa zu dieser Zeit gab
Ludwig wohl auch den Anstoß zur planmäßigen Anlage einer befestigten Stadt, die
schließlich auch Stadtrechte erhielt und so zu einem eigenen Gerichtsbezirk mit
eigenem Recht gemacht wurde.
Entscheidend für den neuen
Aufschwung Lansbergs war jedoch die Funktion, die dem Ort wegen seiner
strategischen und äußerst verkehrsgünstigen Lage in der wittelsbachischen Territorialpolitik
seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zugefallen war.
Landsberg wurde zum
wichtigsten Militär- und Handelsstützpunkt an der Westgrenze des Herzogtums, das
hier seit 1268 "in Auseinandersetzung und in Konkurrenz mit dem Hochstift
Augsburg in der Aneignung der Konradinischen Erbschaft stand. Seiner
strategischen Grenzlage und seiner Funktion als wittelsbachische
Konkurrenzstadt zu Augsburg verdankte Landsberg seit 1268 seinen Aufschwung,
der im Grunde die Stadt durch alle folgenden Jahrhunderte bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts getragen hat."35
Landsberg wurde also aus
militärisch-strategischen Erwägungen von den Wittelsbachern sozusagen als
Grenzfeste gegen Augsburg neu gegründet und schließlich planmäßig zur Stadt
ausgebaut.
Wie Fried abschließend
bemerkt (und weiter oben zitiert wird), verdankte die Stadt ihren Aufschwung
eben dieser wichtigen wehrpolitischen Funktion am Westrand des wittelsbachischen
Territoriums.
Dem soll hier auch nicht
widersprochen werden, doch muß in diesem Zusammenhang unbedingt auch auf das
wichtige wirtschaftspolitische Moment des Salzhandels verwiesen werden.
Zweifellos nämlich konnte
eine militärische Gründung nicht fortbestehen und ihren Zweck erfüllen, wenn
nicht eine entsprechende wirtschaftliche Grundlage gegeben war.
Und in der Tat erhielt
Landsberg in seiner Geschichte mehrere Male als Ausgleich für die schweren
Belastungen als Grenzstadt wirtschaftliche Vergünstigungen (im Zusammenhang mit
dem Salzhandel) zugesprochen, einmal sogar mit dem expliziten Hinweis, von
diesen Einnahmen doch unbedingt die Stadtmauer auszubessern und zu befestigen.
Als ein erstes Beispiel sei
hier der Wagenpfennig angeführt, den die Stadt 1315 von Kaiser Ludwig
zugesprochen bekommt "zu Ergezung Ires
grossen Schaden, den Sie in unsern Dienst namen, um daß die Stadt zue Landsperg
von unsern Feinden gar verderbt ware, und daß sie destarbaß weiter pauen,
beuestnen, und auch beschirmen mögen dieselben Statt, wo es Nuz und Noth wird."36
Diese Urkunde ist auch in
anderer Hinsicht interessant.
Hier läßt sich eine
beginnende Konkurrenz mit München festmachen.
Kaiser Ludwig beließ es nämlich
nicht bei der Verleihung des "Umbgelts"
und des Wagenpfennigs am Lechtor, nein, aus den obenen genannten Gründen
verlieh er der Lechstadt darüberhinaus alle Rechte, wie München sie besaß: "Wir thun in auch die besonder Gnad, und
verleichen In ewiglichen aller die Recht, die unser Statt von München, und die
Burger unserer von unsern Vordern seeligen, von uns, und von unserm Brueder
herzogen Rudolph gehabt haben, daß dieselben Burger von Landsperg alle
dieselben Recht, als völligelich, richtigelich, und miglich fürbas haben, und
Ir auch geniessen sollen, als wir sie In von Wort zu Wort aigentlich mit disem
Brief verlichen hetten."37
Es muß natürlich
festgehalten werden, daß dies nicht bedeutete, daß Landsberg etwa eine
Slazniederlage erhalten hätte, die in München zu dieser Zeit ja auch noch als
Gewohnheitsrecht ohne Codifizierung bestand. Das erfolgte erst 1332 mit der
goldenen Bulle.
Interessant ist weiterhin,
daß dieselbe Vergünstigung - "gleiche Rechte wie München" - 1364 von Herzog
Stephan nochmals verliehen wurde.
Diese Urkunde ist natürlich
auch deswegen wichtig, da sie die Verleihung des Niederlagsrechtes enthält,
zunächst aber fällt auf, daß auch hier wieder "(...) ewiglichen allen die Recht, die unser Statt zue Munchen und die
Burger daselben bisher von uns und unsern Vordern seeligen gehabt habent, daß
dieselben Burger zue Landsperg alle dieselben Recht (...) fürbas ewiglich
haben, (...)."38
Natürlich war es nicht
unüblich, daß bei Herrscherwechseln die Privilegien und Rechte, die eine Stadt von
den Vorgängern her besaß, zunächst
einmal bestätigt wurden - sofern sich die betreffende Stadt in den Augen des
neuen Landesherren nichts zu Schulden hatte kommen lassen und es angebracht
schien, sich "huldvoll geneigt" zu zeigen. Ganz besonders war dies der Fall bei
einer derart wichtigen Grenzstadt wie Landsberg, die ja auch schon unter ihrer
exponierten Stellung zu leiden gehabt hatte.
Schon im Jahre 1320 übrigens
begann Landsberg einen weiteren aktiven Anteil am einträchtigen Salzhandel, der
praktisch durch die Stadt hindurch ablief, da er in Landsberg durch keine
Niederlage unterbrochen war, zu erhaschen.
Wiederum als Ausgleich für
den im Krieg erlittenen Schaden bekam die Stadt diesmal einen Salzpfennig
verliehen: "(...) daß sie je von drey
Scheiben Salzes, die von unserm Lande zue Bayern zu dem oberen Thore in die
Statt zu Landsperg gefurt werden, ainen Pfenning nemen sollen (...)" mit
der entsprechenden Auflage "(...) daß sie
unser Statt zue Landsperg davon pawen und bessern, wo In daß noth sey."39
Der enge Zusammenhang
zwischen der Existenz als Gegengewicht zu Augsburg an der Westgrenze des
Territoriums und dem Salzhandel als Grundlage dieser Existenz und zugleich auch
als probates Mittel zur "Versüßung manch bitterer Pille" ist offensichtlich.
Eine aktive Partizipation am
gewinnträchtigen Salzhandel war das allerding noch nicht, denn noch hatte
Landsberg das Stapelrecht nicht.
Das war nach wie vor ein großer Vorteil, den München gegenüber
der Lechstadt hatte.
Denn Münchnern wurde die
Salzniederlage nicht als besonderes landesherrliches Privileg nie verliehen,
sondern wurde -wie weiter oben bereits einmal erwähnt - als mit der Gründung
der Stadt eng verbundenes Gewohnheitsrecht betrachtet.
Sicherlich hinderte das den
jeweiligen Landesherren nicht, der Stadt München dieses Niederlagsrecht ab und
an zu entziehen, so daß es schließlich dazu kam, daß 1332 die Salzniederlage in
einer goldenen Bulle Kaiser Ludwigs gleichsam "offiziell" festgeschrieben
wurde.
Ein recht deutliches
Anzeichen dafür, wie wichtig doch den Münchener Bürgern diese Teilhabe am
Salzhandel war.
Die goldene Bulle enthielt
ebenso ein strenges Reglemnet über die Organisation des Salzhandels, wie
bereits angedeutet worden ist.
Und nun schickte sich also
die Lechstadt Landsberg an, langsam und Stück für Stück am Salzhandel mit zu
verdienen, was natürlich nur zu Lasten der Münchner geschehen konnte, die
bislang als einzige auf dem Streckenstück München-Schwaben mit Salz Handel
treiben durften.
1353 taten die Landsberger
wieder einen gewaltigen Schritt vorwärts.
Herzog Ludwig V. erteilte
der Stadt am Montag vor St. Dionysientag dieses Jahres die Erlaubnis, einen Salzstadel zu errichten und
Salz darin niederzulegen: "(...) das sy
ainen gemainen Salzstadel in der Stat ze lanndsperg pawen, machen und sezen
sullen und mügen, (...) darein man alles salz, das gen lannsperg kumbt, legen
und verkauffen sol."40
Die explizite Verleihung
einer Niederlage war das nun nicht, aber natürlich kam der Inhalt dieser
Urkunde dem praktisch gleich.
Damit entfiel für alle
schwäbischen Salzhändler der Weg bis nach München, um sich dort ihr Salz in der
Münchner Salzniederlage zu holen - sie mußten es in Landsberg kaufen.
Allerdings sollten auch die
Landsberger leidvoll erfahren, daß eine einmal gewährte herzogliche Gnade nicht
notwendigerweise auf Dauer Gültigkeit haben mußte - nicht einmal dann, wenn
sie, wie noch gezeigt wird, "auf ewig" verliehen war.
Den Münchnern war ihr
Niederlagsrecht zweimal entzogen und wieder verliehen worden (1332 und 1347).
Als mögliche Gründe dafür gibt Münzer Streitigkeiten zwischen der Stadt und dem
Landesherren als dem Satdtherren an.
Ähnliches nun passierte auch
den Landsberger Bürgern, die mit Aufläufen und Unruhen gegen die jeweiligen
Stadtpfleger den Unwillen ihres Stadtherren erregten, so daß dieser die
aufsässigen Bürger mit dem Entzug der Salzniederlage strafte. Das - so bei
Münzer - ereignete sich unter Herzog Ludwig V. im Jahre 1354 (also nur ein Jahr
nach dieser Gunstbeweis erfolgt war) und unter Herzog Stephan III. im Jahre
1383. In diesem Falle ließen es sich die Landsberger 600 Gulden Bußgeld kosten,
um nur ja das hochbegehrte und für die Stadt inzwischen so überaus wichtige
Stapelrecht wieder zu bekommen.41
Erst seit Herzog Mainhard42 besaß Landsberg, ab dem Jahre 1362,
ganz formell das Niederlagsrecht.
Die Legalisierung dieser
"inoffiziellen" Salzniederlage am Lechübergang regte die Münchner nun doch zu
ernsthaftem Widerstand gegen die Landsberger an.
Unter Berufung auf ihre
verbrieften Rechte (jene goldene Bulle eben, die das Gewohnheitsrecht der
Salzniederlage schriftlich fixiert hatte) erhoben die Münchner Einwendungen
gegen Landsbergs Niederlage; und sie hatten Erfolg damit, denn Mainhard zeigte
sich den Münchnern geneigt und widerrief kurzerhand die Verleihung der
Landsberger Niederlage.
Seine Begründung für diesen
Schritt erschöpfte sich in der Mitteilung, daß die Niederlage des Salzes für
Fürst und Land nirgends so nützlich und gut sei als in München.43
Natürlich war die
Entscheidung, in dieser Sache nach den Wünschen der Münchner Bürgerschaft zu
handeln, politisch bedingt.
Mainhards Onkel, Stephan II.
von Niederbayern, nahm den "unerfahrenen und willensschwachen"44 Herzog am 16. Juni 1362 gefangen und
wies im München als Aufenthaltsort zu.
Es verwundert also nicht,
wenn sich der mattgesetzte Herzog den Wünschen seiner "Gastgeber" tunlichst
beugte.
Nur ein Jahr später segnete
Mainhard das Zeitliche und sein Onkel, Stephan II. konnte Ober- und
Niederbayern wieder vereinigen.
Gemäß der Tradition
bestätigte der neue Herzog seinen Getreuen zu Landsberg all ihre Rechte, und so
kam jene Urkunde von 1364 zustande, in der Landsberg alle Rechte, wie sie den Bürgern von München bestätigt worden
waren, nochmals ausdrücklich zugesprochen bekamen.
Stephan verlieh den Landsbergern
darüberhinaus die Salzniederlage auf ewig: "(...)
und beonderlich haben wir In die Gnad gethan umb die Niederlegung zue
Landsperg, daß sie die furbaß ewiglichen haben und niessen sollen (...)." 45
Das sollte allerdings noch
nicht bedeuten, daß die Landsberger tatsächlich fortan nie mehr ihre
Salzniederlage verloren hätten.
München nämlich ging
wiederum in die Offensive gegen den ungeliebten Konkurrenten, die nun wieder
Anteil am Transithandel mit Salz hatten und den Münchnern die gesamte schwäbische
Kundschaft abspenstig machten.
Nach immerhin vier Jahren
erreichten die Münchner, was sie sich vorgenommen hatten: 1368 wurde den
Landsbergern die auf ewig verliehene Niederlage wieder per Widerruf entzogen.
Herzog Stephan und seine
Söhne Stephan und Friedrich machten Landsberg die Auflage, künftig niemanden
mehr mit einer Salzniederlage zu beschweren, da auf Dauer nur so dem gemeinen
Nutzen gedient sei.
Vietzen gibt der Vermutung
Ausdruck, daß diese neue Aufhebung der Lansberger Niederlage nur mehr auf dem Papier
bestand. Er begründet dies damit, daß die aufstrebende Landsberger Bürgerschaft
im Jahre 1376 eine Befreiung vom Niederlagszwang zu München erlangte.46
Schon im Jahre 1373 bekam
die Stadt Landsberg von Stephan dem Jüngeren Markt und Dult verliehen, was ja
eigentlich fast voraussetzt, daß sich eine rege Handelstätigkeit, durch eine Niederlage (und dabei sicherlich
wohl auch für Salz) begünstigt, in der Stadt abspielte.
Dies wird nur gestützt vom
neuerlichen Gunstbeweis 1376, als die Herzöge Stephan und Johannes den
Landsberger Bürgern gestattete, sich ihr Salz direkt in Reichenhall zu holen
und sie somit vom Zwang befreite, wie andere Gäste auch ihr Salz in München
einzukaufen.
"(...) bestätten wir unsern Burgern zue Landsperg, von besondern
Genaden, daß sie wol fahrn mögen, mit samt andern unsern Stoetten gehn
Reichenhall nach Salz (...)."47
München sah sich daraufhin
auf zwei Fronten bedroht.
Nicht nur, daß Landsberg -
wie anzunehmen ist - nach wie vor kräftig am Salzhandel partizipierte, obwohl
formal die Niederlage noch nicht wieder erstattet war, nein, nun drohte auch
noch eine Salzzufuhr nach München durch Landsberger Salzsender.
Hier - so nimmt Vietzen an -
sah München den Punkt zum Einlenken gekommen: der Einspruch gegen die
Landsberger Niederlage wurde zurückgestellt, nur um mit umso größerem Nachdruck
das für die Münchner Bürger wichtigere Recht der alleinigen Zufuhr des Salzes
nach München zu bewahren.48
So ist also anzunehmen, daß
die Landsberger wohl nicht um Salz bis nach Reichenhall fuhren; die Niederlage
jedenfalls wurde 1383 von Herzog Stephan erneuert, ganz offenichtlich auf
Betreiben des Rates der Stadt Landsberg selbst: "(...) daß bey uns gewesen seind unser liebe Getreue, der Rath und die
Gemain unser Statt zu Landsperg, und haben uns erzelt und zu erkennen geben die
Gebrechen die sie lange Zeit bisher gehabt habentin manicherley Sachen, mit
wahren kundtschafft und vil andern Sachen, dauon daß sie an dem Gemerckt gelegen
sind, uns nicht fieglich noch wol gehn Schwaben, und an ander Stoett gearbeiten
mechten, und betten uns, daß wir das ansechen, und unser Genad an sie legten,
ehe daß sie zu grossen Verderben komen: haben wir Ir Gebrechen erkhant und
angesehen, und haben In geben, nach unsers Raths Rath, ein Niderlag des Salz,
als sie die vormals auch von unsern Vordern gehabt haben, die wir In genommen
hetten, also, daß nun fürbas kein Gast mit Salz nicht durchfarn soll, und alle
Goest alz da heben sollen, und nicht fürbas." 49
Die Urkunde ist noch in
zweierlei Hinsicht recht interesant.
Zum Einen spricht der Herzog
davon, daß immer genug Salz für die Gäste in der Stadt sein müsse, damit "unser Zoll uns nicht danider ligen" und
zum Andern wird in dieser Urkunde erstmal deutlich festgeschrieben, daß die
Niederlage auch für "ander Kauffmanschafft"
gelten sollte.
Es ist nur eine Vermutung,
daß damit womöglich ein Vorgehen nachträglich sanktioniert werden sollte, das
schon längst in der Stadt üblich war.
Dieser herzogliche
Gunstbeweis erfolgte übrigens wiederum, um die Stadt Landsberg für ihre prekäre
Lage als Grenzstadt zu entschädigen, für die erlittenen "Gebrechen" also, wie
es in der Urkunde heißt.
Jedenfalls wurde die
Landsberger Salzniederlage von da an nicht mehr aufgehoben, soweit wir dies
wissen, wohingegen München sein Niederlagsrecht noch mehrmals verlieren sollte,
wie Münzer beschreibt (1385, 1404, 1561 und 1571).
Zwei Monate nach Ausstellung
der oben zitierten Urkunde erfolgte eine fast gleichlautende Neuauflage, in der
bei den Landsberger Beschwerden nun auch noch die Besorgnis der Bürger vor
Krieg und Angriff aufgeführt wird, was wohl auf die Streitigkeiten Bayerns mit
dem Schwäbischen Bund, besonders mit Augsburg und Ulm, gemünzt war.
Außerdem war diese
Neuauflage wohl als Kompensation für einen zuvor in Landsberg ausgebrochenen
Stadtbrand zu verstehen.50
Natürlich wurde die
Niederlage der Stadt Landsberg auch nach 1383 mehrmals bedroht, sei es wiederum auf Betreiben Münchens oder aufgrund des
Versuches des jeweiligen Herzogs, den Absatz des Salzes aus seiner
Reichenhaller Saline zu subventionieren.
Dies soll hier aber nicht
mehr besprochen werden, denn all diesen Widrigkeiten zum Trotz konnte Landsberg
sein schwer erkämpftes Recht behaupten, das - wie man leider nur vermuten kann,
da die Rechnungsbücher der Stadtkammer für die Zeit vor dem 30jährigen Krieg
leider nicht auf uns gekommen sind - eine überaus wenn nicht die wichtigste Quelle für den Wohlstand
der Stadt gewesen ist.51
Daß der Salzhandel beim
Aufstieg Landsberg eine entscheidende und bedeutsame Rolle spielte, läßt sich
jedoch auch ablesen an der starken Reaktion, die dies bei den Münchnern
hervorrief und auch an der Besorgnis, welche die Landsberger Bürger veranlaßte,
ein Bußgeld von 600 Gulden an den Landesherren zu zahlen, um nur ja das
strafweise entzogene Niederlagsrecht zurück zu erhalten.
Es braucht nicht betont zu
werden, daß neben den Einnahmen aus dem Salzzoll an der Brücke und dem Wagen-
und dem Pflasterpfennig die Bürgerschaft am Handel selbst verdiente.
Die Salzfuhrleute bescherten
den Gastwirten, Bierbrauern, Schmieden, Wagnern, Sattlern, Riemern, Seilern und
zahlreichen anderen Handwerkern Reichtum und Wohlstand und machten Landsberg zu
dem, wofür es heute noch von zahllosen Touristen immer wieder aufgesucht wird:
zu einer blühenden, reichen mittelalterlichen Stadt.
Die Motive für die
Stadtgründungen des 12. und 13.
Jahrhunderts sind wohl nicht auschließlich im Salzhandel zu sehen - oder nur
dann, wenn der herrschaftssichernde Aspekt gleichzeitig mit Beachtung findet.
Ganz eindeutig muß aber wohl
gesagt werden, daß die wittelsbachischen Gründungsstädte München und Landsberg
ihr Aufblühen und ihren Fortbestand in höchstem Maße dem Salzhandel als ihrer
wirtschaftlichen Grundlage zu verdanken hatten.
Die Lage an der wichtigsten
Salzhandelsstraße Bayerns gab natürlich vor, womit die Bürgerschaft der im
Wachsen begriffenen Städte, die als Grenzposten zur Herrschaftssicherung schon
zu welfischer Zeit ihre Existenz begonnen hatten, ihren Lebensunterhalt verdienten.
Und der Lebensunterhalt
mußte geichert sein, sollten die Gründungen ihre manigfachen Funktionen auch
weiterhin erfüllen.
So ist es auch verständlich,
daß es den Herzögen stets darum zu tun war, durch die Verleihung von
Privilegien im Zuammenhang mit dem Salzhandel ihre Gemeinwesen zu unterstützen,
sich immer wieder als gnädig zu erweisen und wie im Falle Landsbergs erlittenen
Schaden "huldvoll" zu kompensieren.
War doch auch der Eingriff
in den Salzhandel (Entzug der Niederlage) nur deshalb ein so effektives Mittel
zur Zähmung der oft aufsässigen Bürgerschaften, weil sich dieser mehr und mehr zum Lebensnerv der Städte entwickelt
hatte.
Auch die
eifersüchtig-strenge Reglementierung des Salzvertiebes innerhalb Bayerns ist
ein recht deutliches Indiz dafür, welch große Bedeutung dieser Wirtschaftszweig
im Leben der Bürger in den Städten des spätmittelalterlichen Bayern gehabt
hatte.
1. Quellen
von Lori, Der
Geschichte des Lechrains zweyter Band, Urkunden enthaltend, o. O., o. J.
2. Hilfsmittel
dtv Atlas zur Weltgeschichte, Von den Anfängen bis zur Französischen Revolution,
Band 1, hrsg. v. Hermann Kinder,
München, 1973
dtv Wörterbuch zur Geschichte, Band 1 u. 2, hrsg. v. Konrad Fuchs, München, 1990
3. Literatur
Fried,
Pankraz, Die Stadt Landsberg am Lech in
der Städtelandschaft des frühen bayerischen Territorialstaates, in:
Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, Band 32, München 1969
Kratzsch,
Klaus, Wittelsbachische Gründungsstädte:
Die frühen Stadtanlagen und ihre Entstehungsbedingungen, in: Wittelsbach
und Bayern, Band I, Die Zeit der frühen Herzöge. Von Otto I zu Ludwig dem
Bayern, München, 1980, S. 318-337
Liebhart,
Wilhelm, Die frühen Wittelsbacher als
Städte- und Märktegründer in Bayern, in: Wittelsbach und Bayern, Band I,
Die Zeit der frühen Herzöge. Von Otto I zu Ludwig dem Bayern, München, 1980, S.
307-317
Münzer,
Klaus, Die Bedeutung des Salzhandels für
die Stadt Landsberg, in: Landsberger Geschichtblätter, 94. Jahrgang,
Landsberg, 1995
Vietzen,
Hermann, Der Münchner Salzhandel im
Mittelalter, 1158-1187, in: Kultur und Geschichte VIII, München, o.J.
(1936)
Wanderwitz, Heinrich, Die frühen
wittelsbachischen Herzöge und das bayerische Salzwesen (1180-1347) in: Wittelsbach und Bayern, Band I, Die Zeit der frühen
Herzöge. Von Otto I zu Ludwig dem Bayern, München, 1980, S. 338-348
Derselbe, Studien zum Salzwesen, in:
Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte, Band 73, München, 1984
1 Vietzen, Hermann, Der Münchner Salzhandel im Mittelalter, S. 3
2 Derselbe, S. 4
3 Wanderwitz, Heinrich, Die frühen wittelsbachischen Herzöge und das bayerische Salzwesen, S. 338
4 Derselbe, S. 341
5 Wanderwitz, Studien zum mittelalterlichen Salzwesen in Bayern, S. 212
6 Derselbe, S. 216 f.
7 Münzer, Klaus, Die Bedeutung des Salzhandels für die Stadt Landsberg, S. 1
8 Wanderwitz, Studien, S. 244
9 Derselbe, ebenda, S. 245
10Derselbe, ebenda, S. 246
11 Liebhart, Wilhelm, Die frühen Wittelsbacher als Städte- und Marktgründer in Bayern, S. 307
12 Fried, Pankraz, Die Stadt Landsberg am Lech in der Städtelandschaft des frühen bayerischen Territorialstaats, S. 71
13 Liebhart, S. 307
14 Ebenda
15 Kratzsch, Klaus, Wittelsbachische Gründungsstädte: Die frühen Stadtanlagen und ihre Entstehungsbedingungen, S. 318
16 Derselbe, S. 319
17 Ebenda
18 Als ein Beispiel für die Behauptung, ausschließlich wirtschaftliche Kontrolle sei das Motive für den Ausbau einer Stadt gewesen - hier allerdings auf die Gründungen des Welfen Heinrich der Löwe bezogen - sei auf Ruth Hildebrands Dissertation "Studien über die Monarchie Heinrichs des Löwen" verwiesen.
19 Wanderwitz, Studien, S. 218
20 Derselbe, ebenda, S. 217 f.
21 Derselbe, ebenda, S. 232
22 Vietzen, S. 5
23 Derselbe, S. 5 f.
24 Wanderwitz, Studien, S. 233-235
25 Derselbe, ebenda, S. 235
26 Vietzen, S. 18
27 Fried, S. 71
28 Derselbe, S. 76
29 Derselbe, S. 80
30 Derselbe, S. 83
31 Ebenda
32 Derselbe, S. 91 f.
33 Münzer, S. 2
34 Fried, S. 93
35 Derelbe, S. 95 f.
36 von Lori, Die Geschichte des Lechrains, S. 54
37 Ebenda
38 Derselbe, S. 66
39 Derselbe, S. 55
40 Derselbe, S. 83
41 Münzer, S. 2
42 "Meinhard" bei Münzer
43 Vietzen, S. 28
44 Münzer, S. 2
45 von Lori, S. 66
46 Vietzen, S. 28
47 von Lori, S. 74
48 Vietzen, S. 28 f.
49 von Lori, S. 83
50 Münzer, S. 3
51 Münzer, S. 3 f.